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Den deutschen Jahrmärkten gehen die Besucher aus
« am: 28. Juli 2014, 11:28:36 »
Bericht aus dem Tageblatt

Den deutschen Jahrmärkten gehen die Besucher aus

Die Branche steckt in einer Krise, Volksfeste locken längst nicht mehr so viele Menschen wie früher. So auch in Hamburg. Welche Auswirkungen das für den anstehenden Sommerdom hat.

Von Daniela Stürmlinger

Die Lage ist skurril, nicht nur auf Norddeutschlands größtem Volksfest. Zwar ist die Zahl der Aussteller, die auf den Dom kommen wollen, jedes Jahr mit mehr als 500 Bewerbern doppelt so hoch wie es die verfügbare Fläche für 250 Aussteller zulässt. Doch Spitzen-Highlights wie der Olympia-Looping sind nicht mehr vertreten, auch das Bayernzelt, über Jahre auf dem Winterdom, ist weg. Zu wenig Umsatz. Barth fährt mit seiner Bahn nur noch aufs Oktoberfest und nach Düren. "Das ist nur rund 40 Kilometer von Bonn entfernt", sagt er. Das lohnt sich für den Schausteller noch.

Dennoch steht der Hamburger Dom neben anderen Volksfesten immer noch gut da, während zahlreiche Schausteller schon seit geraumer Zeit Umsätze und Kunden verlieren. "Viele Volksfeste haben Probleme", bestätigt Franziska Hamann, Leiterin des Referats Volksfeste und Sonderveranstaltungen in der Wirtschaftsbehörde. "Natürlich würden wir im Winter gern ein Festzelt haben. Wir sind noch in Gesprächen mit möglichen Betreibern", sagt sie und verweist gleichzeitig darauf, dass es zahlreiche weitere Restaurants auf dem Dom gebe. Hamburg profitiert laut Hamann immer stärker von Tagestouristen, die den Dom besuchen. "Viele gehen danach noch auf die Reeperbahn." Allein im vergangenen Jahr kamen mehr als zehn Millionen Besucher zu den drei Veranstaltungen auf das Heiligengeistfeld. Sie konnten zwischen 80 Imbissbetrieben, 55 Bäckerei- und Süßwarengeschäften, 45 Fahrbetrieben, 40 Spiel- und Schießgeschäften sowie 30 Automaten- und Verkaufsbetrieben wählen.

Bangen um Marktflächen
Neben den fallenden Umsätzen in einigen Bereichen der Branche steigen gleichzeitig die Kosten für Personal, Energie oder Benzin für das fahrende Volk. Das hat Folgen. Seit dem Jahr 2000 wurden 17,2 Prozent der Geschäfte aufgegeben. Schuld daran war nicht nur der Kostendruck. Allein in den vergangenen zwölf Jahren reduzierte sich laut einer Studie der Freizeit- und Tourismusberatung Köln im Auftrag des deutschen Schaustellerbundes (DSB) die Anzahl der deutschen Volksfeste um 23,4 Prozent. Exakt ging die Anzahl der Volksfesttage pro Jahr um 33 Tage zurück, weil sich in kleineren Städten keine Märkte mehr rentierten. Aufwand und Ertrag standen in keinem Verhältnis mehr. Auch aktuell bangt die Branche um weitere Marktflächen. In Rostock fürchten die Schausteller das Aus für den Weihnachtsmarkt und die Winterkirmes. Auch Marktflächen in Bottrop, Wesel oder Pforzheim stehen in diesen Städten zur Disposition. Die Plätze sollen dem Wohnungsbau oder anderen Plänen zum Opfer fallen.

Mit einer guten Lobbyarbeit will der Verband dem Sterben der Jahrmärkte entgegenwirken. Ende 2013 hat der DSB die Bewerbung um die "Anerkennung der gelebten deutschen Volksfestkultur" als immaterielles Kulturerbe nach der Unesco-Konvention eingereicht. Eine Entscheidung gibt es noch nicht. Zunächst müssen es die Volksfeste auf die deutsche Liste schaffen, für die sich beispielsweise auch die Brauer mit dem Reinheitsgebot für Bier bewerben. Über die nationale Liste der Kandidaten wird im Herbst entschieden. Mit einem endgültigen Votum der Unesco ist frühestens 2015 zu rechnen.

Immerhin 30 Bundestagsabgeordnete sowie Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) sagten für die Bewerbung der Volksfeste, die auch für Brauchtum und Tradition der Trachten stehen, ihre Unterstützung zu. Denn mit 178 Millionen Besuchern stellen die Volksfeste immer noch das bedeutendste Angebotssegment der Freizeitwirtschaft dar, nach den Schwimmbädern (160 Millionen), Kinos (149 Millionen) Theater (33,8 Millionen) oder den Spielen der Fußballbundesliga mit 9,3 Millionen Besuchern.

Doch die Jahrmarktbesucher geben laut Hans-Werner Burmeister, Geschäftsführer der Hamburger Dom-Promotion und Veranstaltungs GmbH, weiterhin weniger Geld aus als früher. "Wer keine Weihnachtsmärkte beschickt, erwirtschaftet ein Minus", sagt er. Im Jahr 2012 (neuere Zahlen liegen nicht vor) schrumpfte der Umsatz in dem schon durch einige Geschäftsschließungen bereinigten Markt leicht auf 3,7 Milliarden Euro. Ohne das zusätzliche zweite Standbein der Schausteller auf Weihnachtsmärkten hätte der Umsatz 2,65 Milliarden Euro betragen. Die durchschnittlichen Ausgaben der Besucher liegen je nach Gehaltsgruppe zwischen 16,10 Euro pro Besuch bis 28,17 Euro pro Kopf. Viele Betriebe reisen zudem zu Jahrmärkten nach Großbritannien und bauen sich damit ein drittes Standbein auf. Wegen der hohen Preise in dem Land lohnt sich das offenbar.

70 Millionen Euro Standgebühren
"Die Schausteller haben während der Volksfeste natürlich auch Kosten", sagt Burmeister. Allein in Hamburg stecken die fahrenden Betriebe pro Dom-Veranstaltung rund 350.000 Euro in die Werbung. Hinzu kommen die Standgebühren. Bundesweit zahlt die Branche laut der Studie insgesamt 70 Millionen Euro an Standgebühren. Der größte Brocken, die das fahrende Gewerbe ausgibt, sind mit 200 Millionen Euro die Kosten für betriebliche Waren- und Lebensmitteleinkäufe der einzelnen Buden.

148 Millionen Euro entfallen auf den persönlichen Lebensunterhalt der Schausteller vor Ort, weitere 70 Millionen schütteten die Schausteller an Aushilfskräfte aus. Die meisten der bundesweit knapp 10.000 Betriebe haben selbst wenige Mitarbeiter und sind auf die Saisonkräfte angewiesen, die inzwischen unter anderem auch aus Bulgarien oder Rumänien stammen. Allein während der Hamburger Dom-Zeit sind inklusive der Betriebseigentümer 2000 Beschäftigte in Fahrgeschäften oder anderen Buden aktiv.

Der Hamburger Dom gilt in der Stadt als sakrosant. Er hat seine historischen Ursprünge im 11. Jahrhundert. Händler und Handwerker, aber auch Gaukler und Quacksalber suchten im damaligen Hamburger Mariendom am Speersort Schutz vor Wind und Wetter. Den Domherrn, Erzbischof Burchard von Bremen, störte das und so erteilte er den Schaustellern 1334 Hausverbot. Das allerdings nahmen ihm sogar die Kirchgänger übel. Daraufhin gestattete Burchard wieder im Jahr 1337 ausdrücklich die Anwesenheit der Händler im Dom, jedoch nur bei "Hamburger Schietwetter". Und so blieb der Markt im Dom bis der Bau 1804 abgerissen wurde. Seit Ende des Zweiten Weltkriegs findet das Spektakel auf dem Heiligengeistfeld statt.

(C) Abendblatt.de



 

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